Guten Appetit: Wie aus 200 Gramm 12 Mio. Tonnen werden

Wir Deutschen sind in vielen Dingen echte Vorreiter. Das haben wir uns – und vor allem die Generation unserer Eltern – in den letzten Jahrzehnten aufgebaut. Wohlstand wurde erarbeitet und erspart. Leider bringt dieser Wohlstand in Kombination mit der grenzenlosen Verfügbarkeit und dem Überangebot von so gut wie allem unschöne Begleiterscheinungen mit sich: U. a. haben wir ein gesundes Gefühl für den Wert von Nahrung verloren. Das sieht man nicht nur auf den Hüften (anderes Thema…) sondern auch in unseren Mülleimern:   

Pro Jahr landen in Deutschland 12 Mio. Tonnen Lebensmittel im Müll! (Quelle: Verbraucherzentrale)

Puh, viel. Oder? Oder nicht? Die Zahl ist unvorstellbar groß. Und so wie so, das meiste wird doch nicht bei mir zu Hause sondern in der Gastronomie und im Handel weggeschmissen. Oder?

Also schlüsseln wir die Zahl mal auf: 12 Mio. Tonnen / 12.000.000.000 kg im Jahr sind bei 84 Mio. Bundesbürger – grob kalkuliert – 143 kg pro Person im Jahr.  Pro Tag sind es demnach 400 g. Okay. Die Zahl ist deutlich greifbarer – ein angebrochener und vergessener großer Joghurtbecher, ein altes halbes Brot. Aber jeden Tag? Erschreckend. So viel! Kann doch nicht sein. Leider doch, schauen wir uns mal an, wo der Abfall entsteht. 

Über die Hälfte wird in privaten Haushalten weggeworfen. Also rund 200 g pro Kopf pro Tag. Hier ein Apfel zu schrumpelig, da die Milch abgelaufen, den (auch leckeren!) Strunk vom Brokkoli oder Blumenkohl entsorgt, Brötchen von gestern zu trocken, die Möhren zu wappelig und irgendwie hatte man zu viel gekocht, was am zweiten Tag keiner mehr essen will. Und auf die matschigen Reste von den Kleinen haben Eltern auch nicht immer Appetit. Kennt ihr auch, oder? Aufs Jahr hochgerechnet sind das rund 75 kg, die wir so „mal eben“ wegwerfen. Pro Kopf! 

Und wie gesagt, das ist nur gut die Hälfte (52%) der 12 Mio. Tonnen. Weitere 18% könnt ihr ebenfalls direkt beeinflussen: Groß- und Einzelhandel (4%) und besonders Außer-Haus-Verpflegung (14% – Take-away, Restaurants). (Quelle: BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Okay, wir müssen reden! Das haben wir wirklich selbst in der Hand. 70 % von 12 Mio. – 8,4 Mio. Tonnen – können wir mit unserem Verhalten wirklich ganz direkt zum großen Teil selbst einsparen. 

"Wir sind doch nicht an der Spitze der Nahrungskette, um Essen zu verschwenden."
Too Good To Go - "ein motivierter Haufen Lebensmittelretterinnen und -retter"

Daher hier einige simple, praktikable und leckere Tipps für deinen Alltag:

MHD:

Vertraue beim Mindesthaltbarkeitsdatum deinen Sinnen: Augen, Nase, Geschmack. Viele Sachen sind viel, viiiiiel länger haltbar als das aufgedruckte MHD. Es sagt ja auch nur „Mindestens“ und nicht „ab jetzt bin ich ungenießbar“. Wie lange sich Lebensmittel halten, könnt hier zum Beispiel in einem Artikel von Utopia lesen.

Resteverwertung alias „Alles kann, nichts muss“: 

Am meisten wird in privaten Haushalten Obst und Gemüse weggeschmissen (38%). Eine kreative Küche hilft! Mein Favorit-Tipp besonders in der kalten Jahreszeit: OFENGEMÜSE! Geht immer, schmeck immer, kann alles rein: Kartoffeln, Süßkartoffeln, Möhren, Kohlrabi, Kürbis, Brokkoli, Paprika, Zwiebeln, Lauch, Rote Beete und und und. Achtet beim Zuschneiden auf die unterschiedlichen Garzeitpunkte, Möhren brauchen z. B. gefühlt ewig, Süßkartoffeln und Kürbis sind deutlich schneller. Daher: Entweder deutlich unterschiedliche Stücke schneiden oder (separat) zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Ofen schieben.

Als Topping nehme ich gerne Feta (zum Schluss übers Gemüse krümeln und mit warm werden lassen) oder körnigen Frischkäse (mit Joghurt und wenigen Gewürzen wird ratzfatz ein toller Dip daraus). 

Für mehr vegane Proteine kannst du zum Beispiel vorgekochte Kichererbsen mit aufs Blech geben.

Ofengemüse passt natürlich auch toll zum Stück Fleisch, aber versuche es doch mal vegetarisch oder sogar zufällig vegan 😉

Same same but different: Obstsalat! Noch einfacher: einfach ALLES an Obst was weg muss klein schneiden. Bei Bedarf mit gerösteten Nüssen oder Kernen toppen. Pur, mit Joghurt, im Müsli. Als Frühstück oder Nachtisch. Geht auch immer. Und bringt gleichzeitig die Extraportion Vitamine mit!

Bewusst einkaufen, die gute alte Einkaufsliste:

Grundsätzlich schmeißt man weniger weg, wenn man seine Einkäufe im Voraus plant. Was möchte ich, was möchte meine Familie die Woche essen. Setzt euch an einen Tag die Woche zusammen und überlegt gemeinsam. So gibt es weniger Gemecker, enttäuschte Gesichter und durch den geplanten Einkauf werden auch weniger Lebensmittel verschwendet. Eine schöne Idee zur visuellen Darstellung der Wochenplanung habe ich bei einer Freundin gesehen. Besonders kleine Kinder können so den Essensplan selbst mitgestalten. 

Essensplanung

Richtige Lagerung: 

Einige Obst- und Gemüsesorten vertragen sich untereinander gar nicht. So zum Beispiel Äpfel und Orangen aber auch Zwiebeln und Kartoffeln. Daher wie früher in der Schule: auseinander setzen!

Und schau auch, wo du die Dinge aufbewahrst. Nicht alles gehört in den Kühlschrank wie z. B. Tomaten, Bananen und Zitrusfrüchte. Sie fühlen sich bei Raumtemperatur viel wohler. Weitere Tipps zum Beispiel bei Keimling.de

Groß- und Einzelhandel:

Nur 4% der Lebensmittelabfällt entstehen hier. Aber ihr könnt auch noch Geld sparen, wenn ihr im Supermarkt schaut, ob es eine Ecke mit ablaufenden Lebensmitteln gibt und zugreift. Sonst werden sie wohl sehr wahrscheinlich weggeschmissen. Der Handel darf Produkte zwar noch verkaufen wenn das MHD abgelaufen ist, da die Haftung mit Ablauf des MHD allerdings vom Hersteller auf den Handel überspringt, gehen hier die Händler kein Risiko ein. (Quelle: Verbraucherzentrale) Lieber raus aus dem Regal als Ärger mit dem Kunden. Verständlich. Besonders Milchprodukte, die so aufwendig und CO2-intensiv in der Produktion sind, landen oft in den „reduzierten Ecken“. Hier rettest du Lebensmittel, sparst etwas Geld und vielleicht kommt so spontan etwas ungeplant leckeres auf den Teller 😉

Unperfekt schmeckt!

Bitte nicht jeden Apfel, jede Banane und Co. drei Mal anpacken, drücken, prüfen. Nach dem zehnten Kunde ist er/sie dann irgendwann reif für die Tonne, auch wenn er/sie vorher ( fast) perfekt war. Auch mal Obst kaufen, wo eine kleine Delle/Macke drin ist. Wo kommt eigentlich der Gedanke her, dass Obst 100% perfekt sein muss? Also perfekt AUSSEHEN! Wir lassen uns vom Schein blenden ohne zu überlegen, ob es überhaupt gesund sein kann, für uns und die Umwelt, wenn Obst so perfekt aussieht. Es ist ein Naturprodukt. Natürlich. Nicht perfekt.

Außer-Haus:  

Lasst euch die Reste einpacken und genießt sie später zu Hause. Kalte Pizza geht immer und bringt ein altes „Der-Morgen-nach-der-Party-Feeling“ mit 😉

Oder teilt euch mal ein Gericht. Bei manchen Gastronomiebetrieben weiß man eigentlich im Voraus, dass die Portion zu groß ist („Hallo Grieche“, jedenfalls aus meiner persönlichen Erfahrung) oder man gar nicht so viel Hunger hat. Vielleicht reicht ja auch nur eine Vorspeise, die man dafür richtig genießen kann. 

Für Gastronomen ist es schwer, frische Zutaten zu planen. Man möchte den Kunden ja immer ein breites Angebot liefern, aber eben auch nicht viel wegschmeißen. Hier helfen Apps gegen Lebensmittelverschwendung. Wir haben uns zum Beispiel bei Too Good To Go angemeldet. Zwar ist das Angebot in Gütersloh noch „übersichtlich“, aber man kann auch aktiv Geschäfte vorschlagen und so die Bewegungen unterstützen. Vom ersten Versuch – zwei super leckere Salate von der Salatbar Gütersloh – waren wir total begeistert (außer von der Plastikverpackung, aber hier wird bereits dran gearbeitet) und wir werden das Angebot weiter nutzen. Man meldet sich (am Vortag) an und kann abends Lebensmittel, die am Tag übrig geblieben sind, abholen. Eine leckere und günstige Überraschung erwartet einen. Besonders Bäckereien machen hier viel mit. Brot und Backwaren machen immerhin 16% der weggeworfenen Lebensmittel aus. 

Und noch ein Aspekt zum Nachdenken:

Es ist nicht nur die riesige Masse an Müll – das meiste ist ja Biomüll und verrottet. Aber für die Produktion werden Ressourcen verschwendet. Für den Transport wird viel Treibstoff verbraucht und CO2 freigesetzt. Und das liebe Geld: wir Deutschen geben im EU-Vergleich schon sehr wenig Geld für Lebensmittel aus. Trotzdem schmeißen wir 20 Milliarden Euro jährlich in Form von Lebensmittelverschwendung in den Müll. 20 Milliarden Euro. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Was man damit alles Gutes machen könnte… 

Fazit:

Lebensmittelverschwendung haben wir als Verbraucher wirklich zum großen Teil selbst in der Hand. Wenn ich bei meiner Schwieger-Großmutter bin, fällt mir immer extrem auf, was es bedeutet, Essen wertzuschätzen. Sie kennt noch die Zeit, als es im Krieg und danach nichts zu essen gab. Da wird selbst noch das trockene Brot aus dem Krankhaus, was sie nicht geschaffen hat zu essen, an uns Enkel weitergegeben. Zum Glück haben wir diese Zeiten hinter uns und müssen nicht hungern. Für uns ist es selbstverständlich, immer alles vorrätig zu haben und zu essen, worauf wir Hunger haben. Aber wir sollten wieder mehr Bewusstsein für den Wert von Nahrung entwickeln und entsprechend damit umgehen – auch mit Respekt vor den über 800 Millionen Menschen auf der Welt, die heutzutage Hunger leiden. 

Mit einigen einfachen Tipps lässt sich wirklich Großes bewirken. Sei dabei und lauf los mit kleinen grünen Schritten. 

In diesem Sinne: Guten Appetit.  

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Sarah

    Einen Energieschub garantiert ein grünes Smoothie, wo nach Belieben auch Obst seinen Platz findet. Es können hervorragend alle Gemüsesorten geschmacklich abgestimmt werden, die roh verzehrt werden können. Bio empfinde ich als das Zauberwort, da hier schon im Anbau auf chemische Pestizide verzichtet wird. Auch werden keine „Schönmacher“ eingesetzt, die Obst glänzender oder die Schale praller erscheinen lassen. Braucht kein Mensch, deshalb @Kirsten – richtig, Schönheitsfehler sind menschlich, äh… 😉

    1. Kirsten Korthals

      Danke Dir! Stimmt, in Smoothies kann man auch super alles möglich verarbeiten 🙂

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